Der Rat hat heute die Wichtigkeit und Dringlichkeit des von der Initiative „Völkermord Erinnern“ vorgebrachten Anliegens und die besondere historische Verantwortung Deutschlands anerkannt. Zudem hat der Rat eine temporäre Aufstellung des Mahnmals „Dieser Schmerz betrifft
uns alle“ akzeptiert. Die Verwaltung wird gleichzeitig damit beauftragt unter Beteiligung aller relevanten Akteure und Gremien schnellstmöglich einen Dialog- und Findungsprozess zu konzeptionieren mit dem Ziel, eine dauerhaft zeitgemäße, angemessene Form des Erinnerns im Bereich
der Kölner Innenstadt zu finden. Hier geht es zum Antrag.

Dazu hat Kölns Bürgermeister Dr. Ralph Elster folgende Rede gehalten:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates der Stadt Köln.
Meine Damen und Herren von Die Fraktion. 

Wie kann man nur auf die Idee kommen, den Genozid an den Armeniern von 1915, diesen ersten völkisch motivierten Vernichtungsfeldzug im Dunstkreis Europas gegen Armenier, Aramäer und viele andere Nicht-Türken, wie kann man nur dieses Verbrechen, bei dem Millionen Menschen ums Leben gekommen sind, auf diese plumpe Art und Weise mit Stammtisch-Dönekens verweben, die sich – satirisch ist das ja nicht – das ist höchstens blöd – gegen Erdogan richten sollen. (Den Antrag von „Die Fraktion“ findet man hier)

Einer der Tiefpunkte in der Geschichte dieses Rates

Das ist wirklich einer der Tiefpunkte in der Geschichte dieses Rates, das Schicksal, das Leid von Millionen unschuldiger Menschen auf diese Art zu verballhornen.

Eigentlich ist jedes Wort, das über diesen Antrag verloren wird, zu viel und normalerweise müsste man so einen Unsinn ohne weitere Aussprache ablehnen. Der Geschäftsführer der stärksten Fraktion verliert dann ein paar Sätze im Sinne dessen, was ich gerade gesagt habe und erläutert den Beteiligten knapp das Abstimmverhalten.

Wir werden das heute angesichts der Brisanz allerdings nicht tun. Wir haben einen Ersetzungsantrag auf die Tagesordnung gebracht, der der Angelegenheit würdig ist, nicht zuletzt, weil sehr viele Menschen bei uns in Köln leben, die armenische oder auch türkische Wurzeln haben. Vor allem diese Mitbürgerinnen und Mitbürger haben es verdient, dass wir uns hier im Rat mit diesem Thema in angemessener Weise auseinandersetzen.

Ein angemessener Ort des Gedenkens

Wir werden deshalb die Verwaltung gleich beauftragen, einen angemessenen Ort des Gedenkens zu ermitteln und in einem Prozess des Dialogs mit allen relevanten Gruppen eine angemessene Form des Erinnerns in der Kölner Innenstadt zu finden.

Gedenkorte, wie ja einer für den Genozid an den Armeniern heute schon auf dem Armenischen Gräberfeld auf dem Friedhof Lembacher Weg eingerichtet ist, solche Mahnmale und Gedenkstätten sind besondere Orte. Orte, die die Kraft haben, zur Aufarbeitung der Geschichte beizutragen. Orte, die am Ende Versöhnung ermöglichen, die uns heute die Grundlagen schaffen für eine gemeinsame und friedliche Zukunft.

Wir kennen das in Köln in einem anderen Kontext z.B. vom Lern- und Gedenkort Jawne, vom NS-Dokumentationszentrum, von den Gedenktafeln an der Messe am Deutzer Rheinufer. Alles Orte, an denen wir der Vernichtung von Millionen von Juden, von Sinti und Roma und vieler weiterer Opfer des 3. Reichs gedenken. Das sind oft Orte, an denen die Verbrechen selbst stattgefunden haben, die aber heute eine besondere Bedeutung bei der Aufarbeitung dieser Taten bekommen. Sie entfalten ihre Wirkung selbstverständlich deswegen, weil ihnen ein gemeinsames Verständnis zugrunde liegt und es einen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, was damals geschehen ist, wer Täter wer Opfer war, und vor allem, dass wir so etwas nie wieder zulassen wollen.

Menschen leben in Angst

In der Frage des Armenier-Genozids rächt sich heute leider die Tatsache, dass der Westen und insbesondere auch Deutschland seit 1915 von den Deportationen und dem Genozid, der damals vom jungen türkischen Staat verübt worden ist, weiß. Aber, heute wie damals eingebunden in geopolitische Strategien und daraus resultierende Bündnisse, hat man der Türkei noch immer keine angemessene Auseinandersetzung mit diesem Thema abverlangt. 

Das ist gerade heute besonders tragisch, weil so auch, über 100 Jahre nach den Gräueltaten noch immer keine Aussicht auf eine echte Versöhnung zwischen Armeniern und Türken gegeben ist. Das macht auch der Blick in das letzte noch verbliebene Vielvölkergebiet der Türkei rund um Antakya/Antiochia deutlich. Dort leben Menschen in Angst. Die letzten jüdischen oder aramäischen oder antiochenisch-christlichen Gemeinden fürchten sich vor dem, was der türkische Staat nun in der Folge des Erdbebens plant. Kern dieser Furcht ist genau diese fehlende Versöhnung, die ihrerseits vorab eine sorgfältige Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Schuld erfordert. Die Furcht dort ist sehr konkret: 

Was passiert nun mit den Minderheiten vor Ort im Erdbebengebiet? Können sie wieder zurückkehren? Behalten sie ihre bisherigen Rechte? Wir werden genau hinschauen müssen und dieses Mal werden wir nicht schweigen, wenn wir von Unrecht erfahren. Ich bin gerade auch wegen dieses wichtigen Aspekts unserem Integrationsrat sehr dankbar für die Initiative zu der vom Rat beschlossenen Projektpartnerschaft. 

Abschließend darf ich für die CDU-Fraktion sagen, dass wir hoffen, mit dem weiteren Mahnmal, das wir hier Köln errichten werden, auch mehr Wirkung entfalten – und zwar im Sinne der Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses über das, was 1915 in der Türkei geschehen ist.

Foto: Initiative „Völkermord erinnern“