Immer wenn der Anlass da ist, muss Markus Reinhardt diesen Walzer spielen. Das hat er dem ungarischen Geiger versprochen, der den Walzer in Auschwitz komponiert hat. Einen Walzer, den eben dieser Geiger mit Reinhardts Vorfahren gespielt hat, wenn die Züge kamen. Diese und andere Musik sollte die Menschen beruhigen, wenn sie ihrem furchtbaren Schicksal entgegenfuhren.

Die Mitglieder von Sinti United, am Mikrofon Markus Reinhardt. Foto: Helmut Nick

Nun gab es für Markus Reinhardt wieder einen Anlass. Denn das Netzwerk Sinti United hatte zu einer bewegenden Gedenkveranstaltung eingeladen, um an den Beginn der Deportation der Sinti und Roma aus dem Sammellager Köln-Deutz zu erinnern. Markus Reinhardt ist nämlich nicht nur der Kopf des Markus-Reinhardt-Ensembles, sondern auch Gründungsmitglied von „Maro Drom, Kölner Sinte & Freunde e.V.“ .

Bürgermeister Dr. Ralph Elster während seiner Ansprache. Foto: Helmut Nick

Diesem Verein und den anderen Organisatoren, die sich in Sinti United zusammengeschlossen haben, dankte Dr. Ralph Elster ausdrücklich für ihr Engagement. „Mit dem heutigen Gang zum ehemaligen Messelager in Köln-Deutz, verbunden mit dieser Gedenkveranstaltung wird vor allem auch an das unermessliche Leid der betroffenen Menschen erinnert“, so der Kölner Bürgermeister in seinem Redebeitrag.

Der Zeitzeuge Nautschlo Rosenberg. Foto: Helmut Nick

Wenige Menschen seien dieser Mordmaschinerie entkommen und hätten den Wahnsinn überlebt. „Bereits seit vielen Jahren treffen sich die Nachfahren mit ihren Familien jeweils am 16. Mai an den verschiedenen regionalen Lagern zu Gedenkveranstaltungen. Heute wird nun erstmalig – mit diesem zentralen Gedenken – an die Deportation am 21. Mai 1940 und an den anschließenden Völkermord erinnert. Dies ist ein sehr passender Ort des Gedenkens und ruft uns allen in Erinnerung, welche fürchterlichen Verbrechen vor nur acht Jahrzehnten hier in Köln stattgefunden haben und vor allem auch welche fürchterlichen Verbrechen dann noch folgen sollten“, so Dr. Ralph Elster weiter.

Vor dem EL-DE-Haus trafen sich die Teilnehmer des Gedenkmarschs. Foto: Helmut Nick

Die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und den damals begangenen Gräueltaten, die Erinnerung an das zweifellos dunkelste Kapitel  deutscher Geschichte, sei grundlegend für das heutige friedvolle Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft, mit einem starken Grundgesetz, das allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben die gleichen Rechte zugestehe und die gleichen gesellschaftlichen Chancen und Möglichkeiten einräume. „Diese Gedenkveranstaltung wird dazu beitragen, unsere Gesellschaft des respektvollen Miteinanders weiter zu formen und zu bewahren. Eine Gesellschaft, in der niemand auf andere herabschaut und in der die Menschen sich mit Respekt begegnen. 

Dr. Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dokumentaionszentrums der Stadt Köln. Foto: Helmut Nick

Ihnen allen, die Sie heute teilnehmen, vielen Dank dafür“, so Kölns Bürgermeister Dr. Ralph Elster abschließend.

Die Rede im Wortlaut

Liebe Vertreterinnen und Vertreter von SINTI United, verehrte Zeitzeugen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Gedenkveranstaltung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Hier, von diesem heute unscheinbar und unschuldig wirkenden Ort, wurden vor genau vor 83 Jahren – am 21. Mai 1940 – Kinder, Frauen und Männer der rheinländischen Sinte, Lalleri, Lovare, Jenische und Roma in die Konzentrationslager im damaligen Generalgouvernement Polen deportiert und damit in den fast sicheren Tod geschickt.

Zeitzeugen stehen zusammen. Foto: Helmut Nick

Schon Tage vorher wurden die Familien von den damals als „Zigeunerplätze“ bezeichneten Lagern aus der gesamten Rheinprovinz hierhin nach Köln-Deutz verschleppt. Die Menschen wurden aus Köln, aus Düsseldorf, aus dem Ruhrgebiet, aus Düren, Eschweiler und Mönchengladbach und sogar aus Koblenz und Trier in dieses Deportationslager in der Kölner Messe transportiert und mussten sich, menschenunwürdig untergebracht, entwürdigenden „rassehygienischen“ Torturen unterziehen. Die sogenannten „Maideportationen“ im Jahr 1940 bildeten dann den Auftakt für den unvorstellbaren Horror, der danach kam. Die grausame Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten war angelaufen. 

Der Zeitzeuge Christian Pfeil. Foto: Helmut Nick

Im Namen der Stadt Köln und unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker darf ich Ihnen allen dafür danken, dass wir an diesem Ort heute gemeinsam an das Leid der deportierten Menschen erinnern und den ermordeten Kindern, Frauen und Männern gedenken.

Meine Damen und Herren, die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und den damals begangenen Gräueltaten, die Erinnerung an das zweifellos dunkelste Kapitel unserer deutschen Geschichte, ist grundlegend für unser heutiges friedvolles Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft, mit einem starken Grundgesetz, das allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben die gleichen Rechte zugesteht und die gleichen gesellschaftlichen Chancen und Möglichkeiten einräumt.

Dr. Mehmet Daimagüler,  Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung. Foto: Helmut Nick

Eine aktive und unsere Gesellschaftsstrukturen stärkende Erinnerungskultur bedeutet viel mehr als ein ritualisiertes Gedenken an bestimmten Tagen. Es bedeutet, dass wir uns mit der Auseinandersetzung dessen, was damals geschehen ist, vor allem auch mit der Aufarbeitung des ungeheuerlichen gesellschaftlichen Versagens, die Voraussetzungen für ein friedvolles und von gegenseitiger Achtung geprägtes Zusammenleben in Gegenwart und Zukunft verschaffen. 

Mit dem heutigen Gang zum ehemaligen Messelager in Köln-Deutz, verbunden mit dieser Gedenkveranstaltung wird vor allem auch an das unermessliche Leid der betroffenen Menschen erinnert. Wenige Menschen sind dieser Mordmaschinerie entkommen und haben den Wahnsinn überlebt. Bereits seit vielen Jahren treffen sich die Nachfahren mit ihren Familien jeweils am 16. Mai an den verschiedenen regionalen Lagern zu Gedenkveranstaltungen. Heute wird nun erstmalig – mit diesem zentralen Gedenken – an die Deportation am 21. Mai 1940 und an den anschließenden Völkermord erinnert. Dies ist ein sehr passender Ort des Gedenkens und ruft uns allen in Erinnerung, welche fürchterlichen Verbrechen vor nur acht Jahrzehnten hier in Köln stattgefunden haben und vor allem auch welche fürchterlichen Verbrechen dann noch folgen sollten.

Ich darf im Namen Stadt Köln den Organisatoren der heutigen Veranstaltung noch einmal danken. Unter dem Netzwerk SINTI UNITED, haben sich zahlreiche Vereine und Organisationen aus NRW zusammengefunden und die Initiative zu dieser Veranstaltung seitens des MaroDrom – Kölner Sinte und Freunde e. V. unterstützt.

Diese Gedenkveranstaltung wird dazu beitragen, unsere Gesellschaft des respektvollen Miteinanders weiter zu formen und zu bewahren. Eine Gesellschaft, in der niemand auf andere herabschaut und in der die Menschen sich mit Respekt begegnen. 

Ihnen allen, die Sie heute teilnehmen, vielen Dank dafür.

Titelfoto: Krystiane Vajda