Wenn jemand auf die Unterstützung des Bundespräsidenten bauen kann, dann heißt das schon was. Professor Anton Legner konnte darauf bauen, als er 1978 die Ausstellung „Die Parler und der Schöne Stil“ konzipierte. „Am Ende waren es sogar 20 Länder aus Ost und West, die – mitten im kalten Krieg – zu dieser unvergessenen Ausstellung beigetragen haben“, sagte Dr. Ralph Elster in seinem Grußwort, das er zur Buchpräsentation „Von Prag nach Köln. Bilderbuch der Erinnerung“ hielt. „Unter diesem Titel haben Sie uns zu Ihrem 95. Geburtstag mit Charme und Humor, aber auch einigen ernsten Anmerkungen einen kurzweiligen Reigen von Erinnerungen an besondere Momente Ihres Lebens zum Geschenk gemacht“, sagt der Kölner Bürgermeister.

Als Kulturpolitiker war es für Dr. Ralph Elster eine Freude, in seinem Grußwort das langjährige Wirken von Professor Legner in Köln zu beleuchten. „Zu den vielen glücklichen Fügungen zählte, dass ein Thema, das Sie schon vor ihrer Zeit in Köln stark interessiert hat und später dann ein Schwerpunkt Ihrer Forschungen und Publikationen wurde, für unsere Stadt ein ganz zentrales Thema war und ist: die in Glauben, Tradition und künstlerischen Formen zum Ausdruck gebrachte Verehrung von Reliquien – nicht nur der Heiligen Drei Könige, die 1164 aus Mailand kamen oder von Ursula und ihren 11.000 Gefährtinnen“, sagte der CDU-Politiker.

Eine ganz besondere Qualität der Ausstellungen von Professor Legner und der sie begleitenden wissenschaftlichen Publikationen war dabei nicht zuletzt deren Internationalität. „Diese internationalen Beziehungen zwischen den Museen vieler Länder, das konnte man in den Ausstellungen sehen und kann man in den Büchern heute noch nachlesen, waren dabei ein Spiegel der internationalen Beziehungen, die das reise- und kommunikationsfreudige Mittelalter selbst vorgegeben hatte“, so der Kölner Bürgermeister.

„Kölner Heilige und Heiligtümer – Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur“

Er konnte in seinem Grußworte auf zahlreiche herausragende Ausstellungen verweisen. Gleichzeitig betonte er die rege Publikationstätigkeit des Jubilars.  Ein besonderes publizistisches Schwergewicht war 2003 das Buch „Kölner Heilige und Heiligtümer – Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur“, das auf über 500 Seiten die Grundlagen unserer Reliquienkultur erläutert. „Dass das Mittelalter nicht „finster“, sondern vielmehr „strahlend“ war, haben Sie über Jahrzehnte in vielen Ausstellungen und Publikationen immer wieder deutlich werden lassen – informativ, begeisternd und immer wieder auch scharfsinnig streitbar“, fuhr Dr. Ralph Elster in seinen Ausführungen fort.

In dem mit rund 760 großformatigen Seiten wohl umfangreichsten Buch, das 2009 erschien, ist Professor Legner schließlich noch einem weiteren, der scheinbar unverrückbaren Vorurteile gegen die mittelalterliche Kunst begegnet, nämlich der Meinung, weil man oftmals die Namen der Künstler nicht mehr kennt, sei die Kunst des Mittelalters von anonymen namenlosen Handwerkern hervorgebracht worden. „Das Buch „Der artifex – Künstler im Mittelalter und ihre Selbstdarstellung“ stellt diesem Vorurteil eine überwältigende Anthologie von hunderten Text- und Bildzeugnissen aus vielen Jahrhunderten gegenüber, darunter auch viele offene oder diskrete Selbstdarstellungen der Kunstschaffenden in Signaturen und auch in Selbstbildnissen, die sie ihren Werken oft an bescheidener, aber damit auch eindrücklicher Stelle beigefügt haben“, so der Kölner Bürgermeister, der betonte, dass Professor Legners  jüngstes Werk „Von Prag nach Köln“ sein Werk als Museumsdirektor und als Autor nun in besonderer Weise abrunde.

Abschließend sagte Dr. Ralph Elster: „Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Köln für all das, was Sie für unsere Stadt und die Aufarbeitung unserer Kunst- und Kulturgeschichte geleistet haben und gratuliere noch einmal von ganzem Herzen zu Ihrem 95. Geburtstag.“

Die Rede im Wortlaut

Sehr verehrter Herr Professor Legner, 

Lieber Herr Dr. van Melis,
Liebe Frau Professorin Schock-Werner,
Lieber Herr Professor Sternberg (Präsident der Kunststiftung NRW)
sehr geehrte Frau Professorin Westermann-Angerhausen, (Dir. A.D.)
sehr geehrter Herr König (Verleger und Buchhändler),
meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Festgäste.

„Von Prag nach Köln. Bilderbuch der Erinnerungen“– unter diesem Titel haben Sie uns zu Ihrem 95. Geburtstag mit Charme und Humor, aber auch einigen ernsten Anmerkungen einen kurzweiligen Reigen von Erinnerungen an besondere Momente Ihres Lebens zum Geschenk gemacht. 

Das Erinnerungsbuch ist eine Hommage an Ihre Frau Rosa, mit der Sie 70 Jahre verheiratet sein durften, bevor sie uns 2020 verlassen hat. Und es ist eine Hommage an Köln, an diese – „heilige Stadt“. Im Namen unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker darf ich Ihnen von besagter Stadt heute, wenngleich er ja schon ein paar Tage zurückliegt,  die allerbesten Glückwünsche zu Ihrem Ehrentag und für Ihr neues Lebensjahr überbringen.

Einen roten Faden in dem Buch bilden Ihre persönliche Erlebnisse mit vielen auratischen Objekten der Kunst des Mittelalters. In ihrem reichen Lebenswerk als Forscher, Universitätslehrer, Museumsmann und als Autor haben sie viele weite Bögen gespannt, Zusammenhänge aus schriftlichen und bildlichen Quellen der Zeit gefunden und den Menschen vermittelt. Die Strahlkraft der einzelnen Kunstwerke hat Ihnen dabei offenbar immer wieder entscheidende Impulse und Glücksmomente gegeben. Das teilt sich jedem mit, der sich das Vergnügen gönnt, ihr Bilderbuch der Erinnerungen zu lesen.

Aus französischer Gefangenschaft ins oberbayrische Mühldorf

Von der Kindheit in Prag, über Erlebnisse des 16-jährigen Soldaten in den letzten Wochen des grauenhaften Krieges, führt der Weg die Leserinnen und Leser nach der Entlassung aus französischer Gefangenschaft ins oberbayerische Mühldorf, wo Sie Ihrer Frau begegneten. Einen Schulfreund zitieren Sie dazu mit den auf Sie und Rosa gedichteten Worten: »Schon mancher Schmerz ist ihm zerronnen / beim Anblick gotischer Madonnen / Doch scheint es uns, er hat davon / auch eine Inkarnation.«

Vom Studium in Passau, Regensburg und Freiburg geht es mit Eindrücken von Gemälden, Skulpturen und einem Bergkristallpokal schnell weiter zu den Stationen Ihres Lebens als Museumskurator und eben auch Museumsdirektor. 

Auf das Augustinermuseum in Freiburg folgten zehn Jahre im renommierten Liebieghaus in Frankfurt bis zu Ihrer Berufung 1970 als Direktor des Schnütgen-Museums in Köln. Zwanzig Jahre haben Sie dessen Geschicke geleitet und in den inzwischen dreißig Jahren nach Ihrer Emeritierung noch eine ganze Reihe gewichtiger Buchpublikationen vorgelegt. 

Zu den vielen glücklichen Fügungen zählte, dass ein Thema, das Sie schon vor ihrer Zeit in Köln stark interessiert hat und später dann ein Schwerpunkt Ihrer Forschungen und Publikationen wurde, für unsere Stadt ein ganz zentrales Thema war und ist: die in Glauben, Tradition und künstlerischen Formen zum Ausdruck gebrachte Verehrung von Reliquien – nicht nur der Heiligen Drei Könige, die 1164 aus Mailand kamen oder von Ursula und ihren 11.000 Gefährtinnen.

Spirituelle Ausstrahlung und Schönheit der Objekte

Köln hat eine seiner produktivsten Blütezeiten als Metropole im Mittelalter erlebt und Sie haben mit diesem Pfund zu wuchern gewusst. Natürlich an erster Stelle mit Ihrem Museum selbst, das in der romanischen Cäcilien-Kirche die Aura der sakralen Kunstwerke so wunderbar erfahrbar macht. Seitdem Sie das Haus eingerichtet haben, kann jeder Besucher die große Besonderheit dieses Ortes  ganz persönlich erfahren. Die Cäcilien-Kirche und damit auch der Ausstellungsraum sind über 1.000 Jahre alt und vermitteln die Stille und vor allem die Aura einer romanischen Kirche. Die besondere Nähe zu den spektakulären Kunstwerken lädt dazu ein, die spirituelle Ausstrahlung und Schönheit der Objekte im Kontext eines authentischen Ortes zu erleben. Wie wunderbar.


Zwei Ihrer größten Ausstellungen haben den Fokus voll und ganz auf unsere Stadt gelegt: Zum einen die dem heiligen Erzbischof Anno aus dem 11. Jahrhundert gewidmete Ausstellung „Monumenta Annonis – Köln und Siegburg, Weltbild und Kunst im hohen Mittelalter“, die 1975 diesen großen Kirchen- und Staatenlenker und die Zeit in den Fokus rückte, in der das heilige-römische Reich aus Köln heraus regiert wurde.

Zehn Jahre später, 1985, findet dann eine weitere unvergessene Sonderschau statt in dem von der Stadt Köln, dem Erzbistum, dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege und den beiden Kunsthistorischen Instituten der Universitäten zu Köln und Bonn ausgerufenen Festjahr der romanischen Kirchen. Ein dazu von Hiltrud Kier initiiertes und weithin beachtetes kunsthistorisches Kolloquium bereichert das Festjahr genauso die phänomenale Ausstellung „Ornamenta Ecclesia“, deren dreibändiger Katalog dank Ihres Engagements noch heute als Handbuch zur Kölner Kunst des Mittelalters fungieren kann. 

Internationalität als besondere Qualität der Ausstellungen

Eine ganz besondere Qualität Ihrer Ausstellungen, lieber Prof. Legner, und der sie begleitenden wissenschaftlichen Publikationen war dabei nicht zuletzt deren Internationalität. Diese internationalen Beziehungen zwischen den Museen vieler Länder, das konnte man in den Ausstellungen sehen und kann man in den Büchern heute noch nachlesen, waren dabei ein Spiegel der internationalen Beziehungen, die das reise- und kommunikationsfreudige Mittelalter selbst vorgegeben hatte. 

So wurde „Rhein und Maas“ 1972/73 eben nicht nur in Köln gezeigt, sondern auch in Brüssel. „Die Parler und der Schöne Stil“ im Jahr 1978 hat in einem damals absolut ungewöhnlichen Maß nicht nur Leihgaben, sondern auch Fachkolleginnen und -kollegen aus den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang eingebunden. Bei der Vorbereitung hatten Sie damals – so wurde mir berichtet – sogar die Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des Bundespräsidenten, was der Ausstellung über die großartige kulturelle Dimension hinaus selbstverständlich auch eine sehr politische Ausstrahlung verlieh. Am Ende waren es sogar 20 Länder aus Ost und West, die – mitten im kalten Krieg – zu dieser unvergessenen Ausstellung beigetragen haben. Weitere gemeinsame Projekte mit Prag in Köln und mit Köln in Prag schlossen sich an. 

Die mit diesen Ausstellungsprojekten begründete internationale Vernetzung des Schnütgen-Museums hat eine die Arbeit dieses Hauses prägende Tradition begründet, die von ihrer Nachfolgerin im Amt und auch wiederum von deren Nachfolger und dem gesamten Team des Museums mit jeweils eigenen Schwerpunkten bis heute mit großem Erfolg fortgesetzt wird. Frau Professorin Westermann-Angerhausen wird gleich noch selbst zu Ihnen sprechen und ich freue mich schon jetzt auf viele erhellende Details gerade auch zur internationalen Ausrichtung. 

Die herzlichen Glückwünsche von Herrn Dr. Woelk und Frau Dr. Beer und dem gesamten aktuellen Museumsteam darf ich ihnen an dieser Stelle ebenfalls sehr gerne übermitteln.

In die Vielfalt der geistigen Perspektiven des Mittelalters eintauchen

Ein Jahr nach Ihrer Emeritierung 1991 erschien das erste der großen Bücher, in denen Sie ihr profundes Wissen mit neuen Forschungen bereichert haben: „Rheinische Kunst und das Schnütgen-Museum“. Auf andere Art als in den, in Aufsätze und Katalogartikel gegliederten Ausstellungskatalogen haben Sie darin in kontinuierlichen erzählerischen Bögen den interessierten Menschen die Kunst des Mittelalters nahegebracht. Neben ihrer eigenen Schilderung kamen dort in ausführlichen, sorgfältig gewählten Zitaten Stimmen aus der Zeit zu Worte, die es den Leserinnen und Lesern erlauben, in authentischer Weise in den Geist, oder besser: in die Vielfalt der geistigen Perspektiven des Mittelalters einzutauchen.

Ein besonderes publizistisches Schwergewicht war dann 2003 das Buch „Kölner Heilige und Heiligtümer – Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur“, das auf über 500 Seiten die Grundlagen unserer Reliquienkultur erläutert. In einem Rundgang durch die Kölner Kirchen wird darin eine virtuelle „Kölner Heiltumsschau“ entfaltet und selbstverständlich haben Sie auch die damit verbundenen Sammlungsstücke Ihres geliebten Museums Schnütgen in diese Schau eingebunden. Am Ende weitet sich der Blick, indem auch die Ausstrahlung der Kölner Reliquien nach ganz Europa bis hin nach Spanien und Portugal erörtert wird.

Dass das Mittelalter nicht „finster“, sondern vielmehr „strahlend“ war, haben Sie über Jahrzehnte in vielen Ausstellungen und Publikationen immer wieder deutlich werden lassen – informativ, begeisternd und immer wieder auch scharfsinnig streitbar. In Ihrem, mit rund 760 großformatigen Seiten wohl umfangreichsten Buch, das dann 2009 erschien, sind sie schließlich noch einem weiteren, der scheinbar unverrückbaren Vorurteile gegen die mittelalterliche Kunst begegnet, nämlich der Meinung, weil man oftmals die Namen der Künstler nicht mehr kennt, sei die Kunst des Mittelalters von anonymen namenlosen Handwerkern hervorgebracht worden. Das Buch „Der artifex – Künstler im Mittelalter und ihre Selbstdarstellung“ stellt diesem Vorurteil eine überwältigende Anthologie von hunderten Text- und Bildzeugnissen aus vielen Jahrhunderten gegenüber, darunter auch viele offene oder diskrete Selbstdarstellungen der Kunstschaffenden in Signaturen und auch in Selbstbildnissen, die sie ihren Werken oft an bescheidener, aber damit auch eindrücklicher Stelle beigefügt haben. 

Mit „Von Prag nach Köln“ rundet sich sein Werk als Museumsdirektor und als Autor nun in besonderer Weise.

Eine kleine autobiografische Selbstvergewisserung haben Sie als Autor dann auch ihrem eigenen 2021 erschienen Buch „Faszination Bergkristall“ als Schlusskapitel angefügt, das ja den Untertitel „Kölner Erinnerungen“ trägt. Die Freunde ihres alten Museums haben natürlich bemerkt, dass dieser Untertitel, „Kölner Erinnerungen“, einst der Titel eines knappen autobiografischen Büchleins des Sammlungsgründers Alexander Schnütgen war, das 1919 postum erschienen ist. Mit „Von Prag nach Köln“ rundet sich ihr Werk als Museumsdirektor und als Autor nun in besonderer Weise.

Ich danke Ihnen im Namen der Stadt Köln für all das, was Sie für unsere Stadt und die Aufarbeitung unserer Kunst- und Kulturgeschichte geleistet haben und gratuliere noch einmal von ganzem Herzen zu Ihrem 95. Geburtstag.