Seit 2021 hat der Fotograf Mark Mühlhaus mehr als 30 Orte in ganz Deutschland mit der Kamera festgehalten, an denen rassistische oder antisemitische Taten von Rechtsterroristen, Neonazis, Skinheads und gewaltbereiten Jugendlichen verübt wurden. Dies sind alltägliche Orte – öffentliche Plätze, Häuserzeilen, Landstraßen, Uferpromenaden oder Badeseen. Zu sehen sind diese Bilder nun in der Ausstellung „Un|sichtbarer Terror. Orte rechter Gewalt in Deutschland“, die das NS-DOK noch bis zum 13. August zeigt. In ihrer scheinbaren Normalität fordern die Fotografien die Besucher heraus, sich mit den Orten und den damit verbundenen Geschichten rechten Terrors auseinanderzusetzen.

Eisenach-Nord: Hier belagerten rechte Jugendliche und Neonazis 1990 ein Wohnheim für ausländische Arbeiter. Foto: © Mark Mühlhaus

„Genau diesem Gedanken folgend lädt uns die Ausstellung dazu ein, nein, sie fordert uns nachgerade dazu auf, selbst ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus zu setzen. Wir sollen uns einsetzen für den Schutz der Menschenwürde. Wir sollen uns stark machen für die Chancen, die eine offene, eine tolerante, eine vielfältige Gesellschaft uns verschaffen kann“, betonte Dr. Ralph Elster in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung.

Er dankte den Verantwortlichen des NS-Dokumentationszentrum sehr, dass sie dieses wichtige Thema aufgegriffen haben. Ein weiterer Dank ging an die Bundeszentrale für politische Bildung für die Kooperation und die Unterstützung des Vorhabens. „Auch unsere Stadt blickt auf eine lange Geschichte rechtsradikaler Gewalt zurück“, so der Kölner Bürgermeister weiter. Dazu zählte er auch den Anschlag auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015.

Blick in die Ausstellung im NS-DOK. Foto: © Daniel Grünfeld / NS-DOK

„Aber schon Anfang der 1990er-Jahre gab es Sprengstoffanschläge in den Kölner Stadtteilen Ehrenfeld, Bilderstöcken oder Mauenheim. 2001 explodierte ein Sprengsatz des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in der Probsteigasse, keine zehn Minuten Fußweg von hier entfernt, im Geschäft einer aus Iran stammenden Familie“, so Dr. Ralph Elster weiter. Die damals 19 Jahre alte Tochter habe den Anschlag schwerverletzt überlebt. 2004 habe es einen Nagelbombenanschlag wiederum des NSU in der Kölner Keupstraße gegeben, bei dem mehr als 20 Menschen teilweise schwer verletzt wurden.

„Unsere Stadtgesellschaft steht in der Verantwortung, solche Gräueltaten wo immer möglich zu verhindern, solchen Verbrechen – wo immer es geht – vorzubeugen. Grundlegend dafür ist, dass solche Taten nicht einfach vergessen werden“, betonte der CDU-Politiker während der sehr gut besuchten Eröffnungsveranstaltung. Dazu werde das Mahnmal zu den NSU-Anschlägen in Köln beitragen, das in einem Wettbewerb ausgewählt worden ist, der vom NS-DOK begleitet wurde, so Dr. Ralph Elster weiter. Die Idee dieses Mahnmals ist ein virtuelles Haus, das aus verschiedenen Filmen besteht. Einen ersten Eindruck von diesen Filmen kann man in der aktuellen Ausstellung bekommen. Opfer berichten dort über ihre traumatischen Erlebnisse im Zuge der genannten Terroranschläge des NSU. 

„Un|sichtbarer Terror. Orte rechter Gewalt in Deutschland“ – Das NS-DOK zeigt eine Ausstellung zur Geschichte rechten Terrors in der Bundesrepublik. Sie ist noch bis zum 13. August 2023 zu sehen. Die Öffnungszeiten lauten: Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 Uhr, 1. Do. im Monat (außer an Feiertagen) 10-22 Uhr.

Titelfoto: Foto: © Daniel Grünfeld / NS-DOK

Die Rede im Wortlaut

Sehr geehrte Frau Dr. Bächler,
Lieber Herr Dr. Borggräfe,
meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste.

Zunächst darf ich Sie alle im Namen unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker und im Namen des Rates der Stadt Köln ganz herzlich willkommen heißen zur Eröffnung der Ausstellung „Un|sichtbarer Terror. Orte rechter Gewalt in Deutschland“ hier im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln .

Mark Mühlhaus hat seit 2021 historische Orte des rechten Terrors in Deutschland aufgesucht und sie in ihrem heutigen Zustand fotografiert. 

Und gerade weil diese Bilder den Fokus auf diese Tatorte, die konkreten Orte des Geschehens legen, rufen sie uns ins Bewusstsein, dass rechte Gewalt eben keine abstrakte Bedrohung ist, sondern eine reale und zerstörerische Gefahr für die Menschen.

Rechtsextremer Terror und Angriffe auf Minderheiten und Andersdenkende sind keine neuen Phänomene. Sie begleiten die Bundesrepublik seit ihren Anfängen. Dabei hatte rechte Gewalt ganz verschiedene Gesichter. Sie traf beispielsweise Menschen, die an der Aufarbeitung von NS-Verbrechen beteiligt waren. Sie richtete sich gegen die Besatzungskräfte im Nachkriegsdeutschland. Zum Ziel wurden Jüdinnen und Juden oder auch andere Menschen, die nicht in das Weltbild der extremen Rechten passen. 

Rassistische Stimmung und Unterstützung

Nach der Wiedervereinigung eskalierte die Gewalt gegen Menschen, die als fremd oder „feindlich“ angesehen wurden. Die Täter fühlten sich mancherorts auch durch eine rassistische Stimmung und Unterstützung durch Teile der Bevölkerung ermutigt. 

Vielen von uns sind die schrecklichen Bilder von Hoyerswerda, Rostock oder Solingen noch vor Augen – gerade auch dieser furchtbare Brandanschlag in Solingen, der ganz in der Nähe Kölns vor nun fast auf den Tag genau dreißig Jahren geschah.

In den vergangenen Jahren wurden mit den Attentaten auf Henriette Reker 2015 in Köln, 2017 auf Andreas Hollstein in Altena und mit dem Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke in 2019 auch gezielt Repräsentanten des Staates ins Visier genommen, die sich für Flüchtlinge und ihre Bedürfnisse stark gemacht haben. Die dreisprachige Ausstellung, die wir heute eröffnen, lenkt den Blick auf einige eher weniger bekannte Beispiele der zahllosen Morde, Anschläge und Angriffe. Damit möchte sie auch an die Opfer erinnern, die nicht so sehr im kollektiven Gedächtnis präsent sind. Und sie möchte auf die lange und bis heute andauernde Realität rechtsradikaler Gewalt in Deutschland in ihren verschiedenen Dimensionen aufmerksam machen.

Auch unsere Stadt blickt auf eine lange Geschichte rechtsradikaler Gewalt zurück.

Wir sind dem NS-Dokumentationszentrum sehr dankbar, dass es dieses wichtige Thema aufgegriffen hat. Und wir danken der Bundeszentrale für politische Bildung für die Kooperation und die Unterstützung des Vorhabens. Auch unsere Stadt blickt auf eine lange Geschichte rechtsradikaler Gewalt zurück. Ich habe den Anschlag auf unsere heutige Oberbürgermeisterin bereits erwähnt. Aber schon Anfang der 1990er-Jahre gab es Sprengstoffanschläge in den Kölner Stadtteilen Ehrenfeld, Bilderstöcken oder Mauenheim. 2001 explodierte ein Sprengsatz des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in der Probsteigasse, keine zehn Minuten Fußweg von hier entfernt, im Geschäft einer aus Iran stammenden Familie. Die damals 19 Jahre alte Tochter überlebte den Anschlag nur schwerverletzt. 2004 gab es einen Nagelbombenanschlag wiederum des NSU in der Kölner Keupstraße, bei dem mehr als 20 Menschen teilweise schwer verletzt wurden.

Unsere Stadtgesellschaft steht in der Verantwortung, solche Gräueltaten wo immer möglich zu verhindern, solchen Verbrechen – wo immer es geht – vorzubeugen. Grundlegend dafür ist, dass solche Taten nicht einfach vergessen werden. Dazu wird das Mahnmal zu den NSU-Anschlägen in Köln beitragen, das in einem Wettbewerb ausgewählt worden ist, der vom NS-DOK begleitet wurde. Die Idee dieses Mahnmals ist ein virtuelles Haus, das aus verschiedenen Filmen besteht. Einen ersten Eindruck von diesen Filmen kann man in der heutigen Ausstellung bekommen. Opfer berichten dort über ihre traumatischen Erlebnisse im Zuge der genannten Terroranschläge des NSU. 

Es geht um die Frage, wie wir eine Gesellschaft etablieren können, die auf Vielfalt und Solidarität setzt

Und hier schließt sich ein Bogen zur Eröffnung dieser Ausstellung, die mit ihren Bildern und Geschichten dazu aufruft, die Erinnerung an die Getöteten, an die Verletzten und an die Verängstigten wachzuhalten.

Erinnern ist ein Versuch, Vergangenes zu bewahren. Ohne Gedächtnis wüssten wir Menschen nicht, wie wir zu dem geworden sind, was wir sind. Und das sind Erinnerungen für die Zukunft. So wie die Forschung sich sicher ist, dass wir Menschen ohne gut funktionierendes Gedächtnis nicht in der Lage wären, uns die Zukunft vorstellen zu können. Das lässt sich eben auch auf unser kollektives Gedächtnis übertragen, unser gesellschaftliches Erinnern etwa über Denk- oder Mahnmale gibt unserer Gemeinschaft Orientierung in der Gegenwart und Hilfe bei der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft. Es geht schlicht um die Frage, wie wir eine Gesellschaft etablieren können, die auf Vielfalt und Solidarität setzt. Das bedeutet zunächst auch klare Positionen zu beziehen, z.B. Nein zu sagen zur Hetze gegen Migranten und Flüchtlinge. Nein zu sagen zu Ausgrenzung und Rassismus. Menschenwürde ist nicht an Bedingungen, ist nicht an Herkunft, ist nicht an  Aussehen, einen Reisepass oder Papiere und Stempel geknüpft.

Genau diesem Gedanken folgend lädt uns die Ausstellung dazu ein, nein, sie fordert uns nachgerade dazu auf, selbst ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus zu setzen. Wir sollen uns einsetzen für den Schutz der Menschenwürde. Wir sollen uns stark machen für die Chancen, die eine offene, eine tolerante, eine vielfältige Gesellschaft uns verschaffen kann. Ich wünsche der Ausstellung und dem beeindruckenden Begleitprogramm großen Erfolg, indem wirklich zahlreiche Besucherinnen und Besucher, aus dem gemeinsamen Erinnern heraus, genau in dem zuvor beschriebenen Sinne viele positive Impulse für die Gestaltung unserer Gegenwart und die gemeinsame Zukunft ableiten können.