Seit über 40 Jahren zeichnet der Kirchenkreis Köln-Mitte Menschen und Institutionen aus, die sich für die für Opfer von Diktatur, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen einsetzen oder selbst Opfer von Gewalt geworden sind. In diesem Jahr ging die Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe an Pfarrerin Mathilde Sabbagh. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Mathilda Sabbagh lebt und arbeitet in der syrischen Stadt Al-Hasaka im Nordosten des Landes. Dort engagiert sie sich in der Kinder- und Jugendarbeit stark, wirkt seelsorgerisch, trotzt täglichen Schwierigkeiten, dem allgegenwärtigen Kriegsgeschehen und Anfeindungen orthodoxer Vertreter anderer Gemeinden, heißt es auf der Internetseite des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region. Als erste Frau überhaupt in Syrien, wurde sie am 3. April 2022 offiziell ordiniert.

Preisträgerin nahm per Zoom an Feierstunde teil

„Heute wird Frau Mathilde Sabbagh für ihr großartiges und mutiges Engagement für die evangelische Gemeinde in Hassakeh/Al Hasaka in Nordostsyrien ausgezeichnet, vor allem auch für ihr unermüdliches Engagement für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen“, betonte dann auch der Kölner Bürgermeister Dr. Ralph Elster in seinem Grußwort.

Dem Kirchenkreis spreche er seinen Dank und seinen Respekt aus für die würdige und treffende Auswahl der diesjährigen Preisträgerin. Er verbinde dies mit einem Dank für das mittlerweile schon seit Jahrzehnten andauernde Engagement im Sinne der Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe. „Liebe Frau Sabbagh, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur Verleihung dieses Preises und bin nun gespannt auf die Laudatio von Mary Khalaf“, schloss der Bürgermeister seine Ausführungen während der Feierstunde in der Kartäuserkirche, zu der die Preisträgerin via Zoom zugeschaltet war.

Die Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisabgabe

Georg Fritz wurde am 1. August 1874 in Magdeburg geboren. Als Pfarrer bezog er in den 1930er Jahren mutig Stellung gegen den immer weiter um sich greifenden Faschismus. Er verurteilte das Schweigen der Evangelischen Kirche zur Judenfrage, kritisierte die auch vom Kölner Presbyterium beschlossene „Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hitlerjugend“ und verweigerte schließlich den Treueid auf Hitler, den der Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin allen Pfarrern der preußischen Landeskirche abverlangte, heißt es auf der Internetseite des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte. Diese Weigerung haben den passenden Vorwand geboten, Pfarrer Georg Fritze am 17. Oktober 1938 seines Amtes zu entheben – auf Betreiben des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Köln. Bald darauf, am 3. Januar 1939, starb er an den Folgen eines Gehirnschlags und wurde auf dem Kölner Südfriedhof beigesetzt.

„Das Schicksal des „roten Pfarrers“ wurde jahrzehntelang in geradezu beschämender Weise verschwiegen“, ist weiterhin auf der Internetseite zu lesen. Erst in den Siebzigerjahren habe die Aufarbeitung begonnen. Endlich, am 28. November 1980, wurde Fritze durch einen Beschluss des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde Köln offiziell rehabilitiert.

Wer heute den Innenhof der Kartäuserkirche betritt, findet dort eine Gedenkplatte aus dem Jahr 1981 vor, die an Georg Fritze erinnert. Seine Skulptur schmückt seit 1992 den Rathausturm in der Kölner Altstadt. Seit wiederum 1981 wird zunächst jährlich, seit 2003 alle zwei Jahre die „Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe“durch Beschluss der Kreissynode vergeben.

Die Rede im Wortlaut

Sehr geehrte Frau Superintendentin Beuth,
Sehr geehrte Frau Khalaf,
sehr geehrte Frau Sabbagh,
meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich freue mich sehr, Sie heute zur Verleihung der Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe im Namen des Rates der Stadt Köln und unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker ganz herzlich begrüßen zu dürfen.

Seit 1981 zeichnet der Kirchenkreis Köln-Mitte mit diesem besonderen Preis Menschen und Institutionen aus, die sich für Opfer von Diktatur, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen einsetzen oder selbst Opfer von Gewalt geworden sind.

Sicherlich ist – vor allem außerhalb Kölns – auf Anhieb nicht jedem bekannt, wer Pfarrer Georg Fritze war. Wem ist also diese Auszeichnung gewidmet? Wer war dieser Mensch Georg Fritze? Was machte ihn als Menschen so besonders?

In Köln tiefe Spuren hinterlassen

Geboren wurde er als Friedrich Bernhard Georg Fritze 1874 in Magdeburg und verstarb 1939 hier bei uns in Köln. Er wurde also nur 65 Jahre alt, hat aber in seiner Lebenszeit vor allem in unserer Stadt tiefe Spuren hinterlassen. Er hat als evangelischer Pfarrer und Theologe hier in Köln gewirkt, er hat aber vor allem durch sein großes Engagement als religiöser Sozialist und vor allem als überzeugter Antifaschist hohe Verdienste erworben.

Nach Jahren des Studiums und der Ausbildung nahm er im April 1916 die Wahl auf die Pfarrstelle in der Trinitatiskirche zu Köln an und machte sich in seiner Gemeinde schnell einen guten Namen. Schon drei Jahre später, Anfang 1919, also kurz nach Ende des 1. Weltkrieges, sprach er im völlig überfüllten Kölner Gürzenichsaal über das damals äußerst ungewöhnliche Thema „Kirche und Sozialdemokratie“. Georg Fritze fordert ein Ende der Gegnerschaft der Kirche zur Arbeiterbewegung und kritisierte zugleich die Ferne zur Religion der damaligen SPD.

Eine offene Verbindung von Politik und Religion war in diesen Jahren nahezu tabuisiert und daher selten anzutreffen. Georg Fritze setzte sich über diese Grenzen hinweg und versuchte mit großem Einsatz gesellschaftliche Brücken zu bauen und zu vermitteln. Er war ein eher liberaler Theologe mit fortschrittlichen Weltansichten, der sich während der 20er Jahre auch für die Ordination von Frauen stark machte. Mindestens vier Frauen haben bei ihm ihre Zeit als Vikarinnen absolvieren können, was damals eher ungewöhnlich war.

Früh erkannte der die große Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging

1928 wurde Georg Fritze schließlich erster Pfarrer in dieser Kartäuserkirche, die damals gerade instandgesetzt worden war. In den „Kartäuser Pfarrblättern“ warnte er schon zu dieser Zeit immer wieder vor dem Faschismus. Im Gegensatz zu vielen anderen erkannte er die große Gefahr, die von den Nationalsozialisten und deren falschem Weltbild ausging. Das waren Vorstellungen und Ziele, die weder mit christlichen noch mit demokratischen Vorstellungen zu vereinbaren waren und Georg Fritze blieb entsprechend standfest in seiner Haltung.

Die Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten wurden in der Folge immer härter und zwar auf allen Ebenen, womit auch der Druck aus dem inneren Zirkel der evangelischen Kirche gemeint ist, die zum einen mehr und mehr von Nationalsozialisten unterwandert wurde und die zum anderen darunter litt, dass viele etablierte Kirchenleute ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus zunehmend aufgaben. Georg Fritze versuchte wie viele andere aufrechte Christen auch über die „bekennende Kirche“ die nationalsozialistische Vereinnahmung seiner Kirche zu verhindern, letztlich blieb auch dieser Einsatz ohne die erhoffte Wirkung.

1938 verlangte man von ihm sogar einen Treueid auf Adolf Hitler. Georg Fritzes Weigerung wurde schließlich zum Vorwand genommen, ihn am 17. Oktober 1938 aus dem Pfarramt zu entfernen.

Er starb am 3. Januar 1939 an Herzversagen

Eines seiner überlieferten Zitate aus jenen Tagen nimmt vieles vorweg, was in der Folge geschah: „Die Kirche – so hat er gesagt – wird nicht zu Grunde gehen am Geschrei ihrer Gegner, aber sie könnte verhängnisvollen Schaden nehmen durch das Schweigen ihrer Freunde!“

Nach jahrelangen aufreibenden Auseinandersetzungen war Georg Fritzes Gesundheit stark beeinträchtigt. Am 3. Januar 1939 starb er 64-jährig nach einem Schlaganfall an Herzversagen in seiner Kölner Wohnung. Drei Tage später wurde er auf dem Südfriedhof beigesetzt.

Das Schicksal des „roten Pfarrers“ wurde jahrzehntelang in geradezu beschämender Weise verschwiegen. Erst in den Siebzigerjahren begann die Aufarbeitung. Endlich, im Jahr 1980, wurde Pfarrer Georg Fritze durch einen Beschluss des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde Köln offiziell rehabilitiert.

Die anfangs erwähnten Spuren, die Georg Fritze in Köln hinterlassen hat, sind auch heute noch sichtbar. Im Innenhof dieser Kirche wurde z.B. 1981 eine Gedenktafel für Georg Fritze angebracht. Und wie wir wissen, wird seit demselben Jahr – wie am heutigen Tage auch – vom Kirchenkreis Köln-Mitte die Georg-Fritze-Gedächtnisgabe verliehen, inzwischen hat man sich auf einen zweijährigen Turnus festgelegt.

Steinfigur am Ratsturm erinnert an sein Werk und Schaffen

Auch eine Steinfigur am Kölner Ratsturm erinnert mittlerweile an das Werk und Schaffen dieses Südstadtpfarrers und in Köln-Seeberg ist ein Weg nach ihm benannt worden.

Pfarrer Georg Fritze war zeitlebens Pazifist. Er war ein Mensch mit einem eindeutigen Wertekompass. Eine unbeugsame Persönlichkeit, wie wir sie uns zahlreicher gewünscht hätten insbesondere in den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit 1981 sind viele verdiente Preisträgerinnen und Preisträger mit der Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe ausgezeichnet worden und es ist eine große Ehre und Anerkennung für alle, denen diese Ehrung zuteilgeworden ist.

Heute wird Frau Mathilde Sabbagh für ihr großartiges und mutiges Engagement für die evangelische Gemeinde in Hassakeh/Al Hasaka in Nordostsyrien ausgezeichnet, vor allem auch für ihr unermüdliches Engagement für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen.

Ich darf dem Kirchenkreis meinen Dank und Respekt aussprechen für die würdige und treffende Auswahl der diesjährigen Preisträgerin und verbinde das mit einem Dank für das mittlerweile schon seit Jahrzehnten andauernde Engagement im Sinne der Pfarrer-Georg-Fritze-Gedächtnisgabe.

Liebe Frau Sabbagh, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur Verleihung dieses Preises und bin nun gespannt auf die Laudatio von Mary Khalaf.