Als die Jury die Werke von Jeehye Song bewerten durfte, war die Stimmung der Gemälde eher verhalten, wenn nicht sogar gedrückt. Ihre Kunst war unter dem Eindruck der Beschränkungen der Corona-Pandemie entstanden. In seinem Grußwort zitierte Bürgermeister Dr. Ralph Elster die Jury wie folgt: „Die Figuren scheinen ihre körperliche Kraft verloren zu haben. Durch eine raffinierte künstlerische Vielschichtigkeit visualisieren die Arbeiten der Künstlerin die deprimierenden emotionalen Tiefen dieser Zeit.“

Ganz anders die jetzige Ausstellung in der artothek. Hier findet ein echter Aufbruch statt. „Die Personen werden aktiv – auch wenn das Körpergefühl immer noch ganz weich ist – sie haben ihre Schlaffheit überwunden und suchen nach neuen Erfahrungen“, schreibt die artothek in ihrer Ausstellungseröffnung. Mit der Kunstschau wird die Preisträgerin des Friedrich-Vordemberge-Stipendiums für Bildende Kunst der Stadt Köln gewürdigt.

Daher war es auch an Bürgermeister Dr. Ralph Elster der Preisträgerin Jeehye Song ganz herzlich zu dieser besonderen Förderung zu gratulieren. „Zum einen erhalten Sie eine finanzielle Förderung in Höhe von 12.000 Euro, zum anderen die Möglichkeit, Ihr künstlerisches Schaffen in diesen besonderen Räumen unserer artothek auszustellen. Hier können die Stipendiaten ihr Werk einem breiten Publikum präsentieren“, so der Bürgermeister, der fasziniert davon war, wie Jeehye Song über ihre Bilder ein Zwiegespräch mit den Betrachtern führt, das anregend ist und viel Raum für eigene Interpretationen lässt. „Ich wünsche Ihnen, liebe Gäste, dass Sie mit den Werken der Künstlerin auf Ihre eigene Entdeckungsreise gehen können in ganz nahe oder auch ganz ferne Orte, draußen gelegen oder in Ihrer eigenen inneren Gedankenwelt“, so Dr. Ralph Elster.

Über die Preisträgerin

Jeehye Song wurde 1991 in Seoul/Südkorea geboren. Nach dem Bachelorstudium Design mit dem Schwerpunkt Metallkunst an der Universität für Wissenschaft und Technologie Seoul zog sie 2015 nach Düsseldorf. Dort studierte sie an der Kunstakademie bei Prof. Stefan Kürten und Prof. Andreas Schulze. 2021 hat sie das Studium als Meisterschülerin von Prof. Andreas Schulze abgeschlossen. Sie ist in Ausstellungen international vertreten und lebt in Düsseldorf.

Über die artothek

Die artothek – Raum für junge Kunst bietet neben der Ausleihe zeitgenössischer Kunst einen Ort für Ausstellungen Kölner Künstler sowie internationaler Gäste. Ziel ist die Förderung und Vermittlung junger Kunst.

Die artothek gibt Orientierungshilfen zu den ausleihbaren Werken, informiert mit Hilfe eines Archivs über die Kölner Kunstszene und hält eine Auswahl aktueller internationaler Kunstzeitschriften zur Ansicht bereit. Die artothek ist seit Mai 2008 dem Kulturamt der Stadt Köln angegliedert und befindet sich im Haus Saaleck, einem spätgotischen Bürgerhaus aus dem 15. Jahrhundert, südlich des Doms, nahe den großen Museen Kölns.

Die Rede im Wortlaut

Liebe Jeehye Song, (sprich: dsiehe ßong)

liebe Jurymitglieder,

liebe Ehrengäste aus Politik und Verwaltung,
sehr verehrte Freundinnen und Freunde der Artothek, liebe Gäste.

Ich freue mich sehr, Sie heute hier im Namen der Stadt Köln und unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker in unserer wunderbaren artothek begrüßen zu können. So eine Zusammenkunft ist ja – nach den schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre – nicht mehr selbstverständlich und umso mehr können wir solche persönlichen Treffen wertschätzen.

Wertschätzend ist auch der Anlass heute, denn die Ausstellung in der artothek ist sozusagen der krönende Höhepunkt des Friedrich-Vordemberge-Stipendiums, das die Stadt Köln Ihnen, verehrte Jeehye Song, in diesem Jahr verliehen hat. 

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit ergreifen, Ihnen auch von meiner Seite ganz herzlich zu dieser besonderen Förderung zu gratulieren: Zum einen erhalten Sie eine finanzielle Förderung in Höhe von 12.000 Euro, zum anderen die Möglichkeit, Ihr künstlerisches Schaffen in diesen besonderen Räumen unserer artothek auszustellen. 

Hier können die Stipendiaten ihr Werk einem breiten Publikum präsentieren.

Schöpfen aus persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen

Liebe Jeehye Song,

Sie haben heute hier Malerei ausgestellt, die erst in den letzten Monaten entstanden ist. Sie war noch nicht Teil ihrer Bewerbung und ist für uns alle –  selbst für die Jurymitglieder – neu. Wir erleben also heute mit dieser Premiere einen besonders spannenden Moment Ihrer Karriere im doppelten Wortsinn. 

In Ihren Arbeiten schöpfen Sie sehr stark aus Ihren persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen und bringen Situationen und Gefühle in eine Bildsprache, die von etwas erzählt, das uns nicht völlig fremd ist. 

Die Personen, die wir beispielsweise in ihren Bildern sehen, nehmen uns mit in eine Welt – in Ihre Welt – die uns vertraut erscheint, die wir nachempfinden können und in deren Betrachtung wir uns gemeinsam mit Ihnen vertiefen können. 

Raffinierte künstlerische Vielschichtigkeit

In den beiden ersten Jahren der Corona-Pandemie schlugen sich die erzwungenen Beschränkungen des Alltags auch in den Stimmungen ihrer Bilder nieder und die Jury beschrieb dies so: „Das Außergewöhnliche an Songs künstlerischer Position jedoch ist die mitschwingende bedrückende, eigentümlich fassbare Emotionalität, durch die sie ihre künstlerische Sicht auf diese Alltäglichkeiten zum Ausdruck bringt. Diese Menschen haben offenbar Unangenehmes durchgemacht, deren Ursache jedoch diffus und unkenntlich bleibt. Die Figuren scheinen ihre körperliche Kraft verloren zu haben. Durch eine raffinierte künstlerische Vielschichtigkeit visualisieren die Arbeiten der Künstlerin die deprimierenden emotionalen Tiefen dieser Zeit.“

Wenn ich mich jetzt hier so umsehe, dann sprechen mich Ihre Bilder in vergleichbarer Weise an. Der Betrachter überlegt unweigerlich, was die Figuren dort erleben mögen, was sie sehen, was sie suchen, welche Sehnsüchte sie wohl haben mögen. Die Atmosphäre hat sich allerdings von depressiven Zuständen etwas erholt, ein Aufbruch, eine Orientierung nach außen hat begonnen. Es scheint, als würden die Personen etwas suchen, was sie außerhalb des für uns Sichtbaren finden oder zumindest vermuten. Uns bleibt dies verborgen und wir können uns nur vorstellen, was dies sein könnte.

Faszinierendes Diptychon

Mich persönlich spricht insbesondere dieses faszinierende Diptychon an, das ein menschenähnliches Wesen an einem Gewässer, vielleicht einem Teich, zeigt, das zwei Arme oder Beine ins Wasser zu tauchen scheint. Dieses Wesen wirft einen großen und unheimlichen und durch Nebel verzerrten Schatten auf die Oberfläche, ein Schatten der aber perspektivisch so auf natürlichem Wege eigentlich nicht zustande kommen kann, so dass man sich unwillkürlich fragt, ob es sich bei dem Abbild auf der Wasseroberfläche nicht doch um ein eigenes Gebilde oder gar ein selbständiges Wesen handelt, das mit dem Wesen an Land unmittelbar über die eingetauchten Extremitäten kommuniziert…Ein spannendes und irgendwie auch unheimliches Werk.

Dieses Zwiegespräch der besonderen Art, das Jeehye Song über die Bilder mit uns führt, ist anregend und lässt viel Raum für eigene Interpretationen. Ich wünsche Ihnen, liebe Gäste, dass Sie mit den Werken der Künstlerin auf Ihre eigene Entdeckungsreise gehen können in ganz nahe oder auch ganz ferne Orte, draußen gelegen oder in Ihrer eigenen inneren Gedankenwelt.

Liebe Frau Jeehye Song, ich danke Ihnen für die Ausstellung und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute. 

Zu guter Letzt möchte ich mich bei der Jury bedanken, zu der in diesem Jahr Gail Kirkpatrick, Heike Kropff, der Vorjahrespreisträger Camillo Grewe und Astrid Bardenheuer gehörten, sowie die Vertreterinnen der Politik und der Verwaltung (Beigeordneter für Kunst und Kultur Stefan Charles, Referentin für Bildende Kunst Nadine Müseler). Kerstin Maida danke ich für ihre wunderbare organisatorische Betreuung des Förderpreises ganz besonders herzlich.