In der Kölnischen Rundschau war zu lesen, dass es „Schwachsinn sei, die Zentrale der Stadtbibliothek an anderer Stelle neu zu bauen.“ An anderer Stelle ist von einer Phantomdebatte die Rede. In einer sachpolitischen Diskussion den Vertretern einer anderen Meinung Schwachsinnigkeit zu attestieren, ist meines Erachtens schon ein „Ticken zu viel…“. Aber egal, am Ende entscheiden hoffentlich die Fakten. Und wenn wir nun deutlich mehr als 100 Millionen Euro dafür ausgeben sollen, den altbackenen Haubrich-Hof zu sanieren, ist vor einem neuen „Weiter-so-Baubeschluss“ eine Debatte über Sinn und Zweck der Übung zwingend eine Aufgabe unseres Stadtrates. Dafür ist er nämlich gewählt worden. Ein Innehalten und Neudenken über die Zukunft der Stadtbibliothek ist in einem solchen Augenblick eben nun einmal kein Unsinn, sondern zwingend notwendig und schlichtweg normal.

Abriss statt Sanierung? Neubau an gleicher oder anderer Stelle? Wenn ja, dann wo? 

Zentrale Orte gäbe es in Köln genug. Man muss halt nur suchen. In anderen Städten der Welt gibt man sich für die Umsetzung einer zentralen Bibliothek nicht mit Hinterhoflagen oder Gebäuden aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zufrieden, die die Anmutung von typischen Schul- oder Verwaltungseinheiten aus eben dieser Zeit haben. Bibliotheken werden heutzutage als ganz besondere Kulturorte vielerorts auch städtebaulich inszeniert und so gibt es zahlreiche überzeugende Beispiele für Bibliotheken, die als spektakuläre Kulturorte auch architektonische Landmarken in ihren Städten geworden sind. 

Weil Geschmack ja immer auch sehr subjektiv ist, will ich gar nicht meine eigenen Favoriten zeigen, sondern hier Bibliotheken vorstellen, die wegen ihrer Architektur und Konzeption internationale und vielbeachtete Preise gewonnen haben. So gibt es zum Beispiel seit einigen Jahren den IFLA Award, eine Auszeichnung mit der weltweit „die Öffentliche Bibliothek des Jahres“ prämiert wird. Sie wird jährlich von der International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) in Zusammenarbeit mit dem dänischen Softwareunternehmen Systematic A/S verliehen. 

Deichman Bjørvika in Oslo

Helge Høifødt, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

In 2021 hat sich in diesem Award-Verfahren die Deichman Bjørvika in Oslo gegen 32 mitbewerbende Bibliotheken durchsetzen können. Die Deichmanske bibliotek gehört zu den ältesten öffentlichen Bibliotheken Norwegens und ist nicht nur die größte öffentliche Bibliothek dieses Landes, sondern auch die Stadtbibliothek der 600.000 Einwohnerstadt Oslo.

Oodi in Helsinki

Zwei Jahre zuvor, im Jahr 2019, ging der Preis an Oodi in Helsinki, eine Bibliothek, deren Konzept auf einen Designwettbewerb im Jahr 2012 zurückgeht. Oodi ist ein aus Glas- und Stahlkonstruktionen bestehendes Gebäude mit einer Holzfassade. 

Foto: Kuvio https://oodihelsinki.fi/en/for-media/#photosofoodi

Das Design ist eine Kombination aus traditionellen und modernen Stilen, die energieeffiziente Bibliothek ist eine beeindruckende Visitenkarte der modernen finnischen Architektur. ALA Architects war für die architektonische Planung verantwortlich und hatte sich zuvor gegen 543 Mitbewerber (!) durchgesetzt. Die geschätzten Kosten für die neue Bibliothek beliefen sich auf 98 Millionen Euro.

Beeindruckende Bilder inklusive Innenansichten finden sich hier

dokk1 in Aarhus

Foto: dokk1 Aarhus Public Libraries https://www.flickr.com/photos/aakb/sets/72157668074145883/with/27958297800/

Ein anderes Beispiel spektakulärer Architektur ist das dokk1 in Aarhus, das 2016 mit dem IFLA Award prämiert worden ist. Dokk1 ist ein Konzept, das deutlich über eine reine Bibliotheknutzung hinausgeht und sich der Stadt als versatiles Kulturhaus präsentiert. Forbes veröffentlicht dazu den spannenden Artikel: „Wo das Wissen andockt – In Skandinaviens größter Bibliothek Dokk1 ist schmökern fast Nebensache. Das „Community Center” versteht sich als unkonventioneller Wissensvermittler. Und das an einem Ort in Aarhus, dessen beste Tage gezählt schienen…“ 

Aussagekräftige Informationen über dokk1 und darüber, wie eine Stadt mit 300.000 Einwohner in Dänemark das Thema Stadtbibliothek bespielt, findet man hier: https://www.dokk1.dk/english

Stadtbibliothek Stuttgart

Neben diesen Awards hält das Internet noch zahlreiche andere Ressourcen bereit, die helfen können, die eigene Meinung weiterzuentwickeln.

Die Redaktion von Falstaff – Österreich präsentiert z.B. auf ihren Seiten ihre Top 10 -Auswahl der weltweit schönsten Stadtbibliotheken: https://www.falstaff.at/living/nd/top-ten-der-scho-nsten-bibliotheken-der-welt/

Neuere Gebäude dieser Liste mit weltbekannten Bibliotheken sind in Seattle und Stuttgart entstanden.

Foto: GillyBerlin from Berlin, Germany, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

Wenn man sich vorstellen würde, wie eine Bibliothek in 20 oder 30 Jahren gestaltet sein könnte, würde man möglicherweise am Ende etwas skizzieren, was der Stuttgarter Stadtbibliothek nahe kommt, die in 2011 eröffnet worden ist. Ein hochmoderner, in weiß gehaltener, mehrstöckiger Raum, der über offene Treppen miteinander verbunden ist und in dem Bücher Farbtupfer setzen zu der ansonsten in Weiß gehaltenen Umgebung. Stuttgart besitzt damit seit 2011 zweifelsohne eine der faszinierendsten Bibliotheken der Welt.

In Ruhe die zukunftsträchtigste Variante für die Kölner Stadtbibliothek wählen

Ob Neubau oder Sanierung ist am Ende eine Frage der geplanten Kosten und der mit dem Projekt verbundenen Risiken.

Die Kölnische Rundschau hat inzwischen sogar über eine weitere Option berichtet: einen Verbleib der Zentrale im Interim an der Hohe Straße . Diese äußerst großzügig angelegte „Zwischennutzung“ beherbergt immerhin einige tausend Quadratmeter Flächen, die es dem Team um Dr. Hannelore Vogt ermöglichen, für seine Kundinnen und Kunden 90% aller verfügbaren Medien im unmittelbaren Zugriff zu haben. In jedem Fall besteht die Option zu sinnvollen Mietkonditionen eine beste Innenstadtlage solange anzumieten, bis in Ruhe und mit Überlegung die zukunftsträchtigste Variante für die Stadtbibliothek ausgewählt werden kann. Vor diesem Hintergrund besteht für Betriebsamkeit also kein Anlass.