Zum Höhepunkt des Abends gibt es Musik. Das Motto ist angelehnt an   den hebräischen Trinkspruch „L’Chaim – auf das Leben“. Es ist der nach vorne gerichtete Teil einer Veranstaltung, in der es um 1700 Jahre jüdisches Leben +2 in Köln geht. Die ausgegebene Devise dafür steht groß an der Wand der Kölner Synagoge: „Frieden für alle. Wir zeigen Zusammenhalt!“

Und das auf vielfältige Art und Weise. Zur Begrüßung sprachen Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, NRW-Landtagspräsident André Kuper sowie Bürgermeister Dr. Ralph Elster.

Zum Gruppenbild stellten sich auf: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein (v.l.), der Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, Abraham Lehrer, Claudia Hessel als Vorstand des Kölner Forums für Kultur im Dialog/ Shalom Musik, NRW-Landtagspräsident André Kuper sowie Kölns Bürgermeister Dr. Ralph Elster.

Der betonte in seinem Grußwort: „Auch heute noch existiert in unserer Gesellschaft Antisemitismus, ein Problem, das in der aktuell weltweit aufgeheizten Stimmungslage sogar dazu führt, dass jüdische Menschen auch hier bei uns verunsichert und bedroht werden durch öffentlich zur Schau gestellten Hass, durch Ablehnung und Gewalt. Eine Situation, die vor dem Hintergrund dessen, was vor 80 Jahren geschah, kaum zu ertragen ist und unser gesellschaftliches Eingreifen erfordert.“

Mehr Zusammenhalt, mehr Akzeptanz

Deshalb warb die Veranstaltung für mehr Zusammenhalt, mehr Miteinander und mehr Akzeptanz – unter anderem mit einem Kurzfilm über jüdische Meilensteine in Deutschland und einer Diskussionsrunde, an der auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, teilnahm.

„Gerade weil es den barbarischen Überfall der Hamas am 7. Oktober gegeben hat und gerade weil es im Zuge dieses Terroraktes auch in unserem Land zu einem drastischen Anstieg von antisemitischen Übergriffen gekommen ist, wird unsere gemeinsame Aufgabe, auf jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland aufmerksam zu machen, noch wichtiger als zu je vor“, betonte Dr. Ralph Elster in seiner Rede. „Offensiv gegen Antisemitismus vorzugehen, anstatt sich weg zu ducken“, sagt er, „ist zweifelsohne der richtige Weg.“

Zum Programm gehörte eine Diskussionsrunde.

Im Zuge der Feierlichkeiten zum Festjahr 321 und somit 1700 Jahre jüdischen Lebens wäre es wichtiger denn je, effektiv darauf hinzuweisen, dass jüdische Kultur in Deutschland lebendig ist. „Am Ende gab es mehr als 2400 Veranstaltungen, in denen man bundesweit auf das Bezug nahm, was vor 1700 Jahren seinen historischen Ursprung hier in unserer Stadt hatte“, sagte der CDU-Kulturpolitiker in Bezug auf das Festjahr, dessen Feierlichkeiten coronabedingt bis zum Sommer des letzten Jahres verlängert worden waren – also plus 2.

Mit einem Blick auf die lange Geschichte des jüdischen Glaubens sagte Ralph Elster: „Es wird offensichtlich, dass Köln im Laufe seiner 2000-jährigen Geschichte schon von Beginn an eben auch von Menschen jüdischen Glaubens mitgeprägt worden ist.“

Diese Prägung werde dann auch in einem, im Jahr 2027 zu eröffnenden, jüdischen Museum erzählt. „Unsere gemeinsame Geschichte hat gottseidank nicht mit Ausgrenzung und Vertreibung, mit Pogromen und Mord geendet“, sagt Ralph Elster. „Unsere gemeinsame Geschichte wird auch heute noch fortgeschrieben, sie hat eine Gegenwart, die uns nicht trennt, sondern verbindet, eine Gegenwart, von der aus wir gemeinsam die vor uns liegende Zukunft gestalten werden.“

Blick in die Zukunft und die Gegenwart

Das neu gegründete Forum 321 werde in Zukunft weitere Veranstaltungen dieser Art organisieren. Darüber freute sich der Kölner Bürgermeister sehr: „Die Kölnische Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit, die MiQua-Freunde und das Kölner Forum für Kultur im Dialog werden zukünftig in jedem Jahr mit einem besonderen kulturellen Format an dieses wichtige historische Kölner Datum, an jenen 11. Dezember des Jahres 321, erinnern und damit jüdisches Leben in unserer Stadt noch sichtbarer und erfahrbarer machen. Allen, die an dieser großartigen Initiative beteiligt sind, darf ich dafür ganz herzlich Danke sagen.“

Das Auditorium war bestens besetzt.

Zum Abschluss seiner Rede sprach Ralph Elster erneut über die aktuelle Situation, die in seinen Augen mehr als schrecklich ist: „Antisemitismus, Hetze gegen Menschen jüdischen Glaubens und Anschläge auf jüdische Einrichtungen sind unerträgliche Angriffe auf den Kern unserer Gesellschaft und in keiner Weise zu tolerieren.“ Er betonte: „Gerade wir, gerade die Menschen in unserem Land haben eine historische Verantwortung, Antisemitismus überall dort, wo er sich zeigt, mit Macht zu bekämpfen.“

Ralph Elster schloss seine Rede mit den Worten: „Köln steht weiterhin für eine weltoffene, solidarische Stadtgesellschaft, in der Glaube oder Herkunft die Menschen nicht voneinander trennt, sondern sie miteinander verbindet.“ In Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage freue er sich auf eine gemeinsame Zukunft und sodann auch auf den weiteren Verlauf der Veranstaltung. Dr. Ralph Elster: „Ich wünsche Ihnen allen noch einen guten Abend bei L’Chaim – Auf das Leben!“

Die Rede im Wortlaut

Lieber Herr Lehrer, (Vizepräs. Zentralrat der Juden in D., Vorstand Synagogen-Gemeinde Köln)
liebe Vorstände und Mitglieder der Synagogen-Gemeinde Köln,
sehr geehrter Herr Landtagspräsident, lieber Herr Kuper,
sehr geehrter Herr Dr. Klein (Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung)
liebe Frau Dr. Twiehaus (Abteilungsltg Jüdische Geschichte + Kultur im MiQua),
lieber Herr Kovacs (Geschäftsführer des Vereins Jüdisches Leben in Europa e.V.),
liebe Claudia Hessel, (Vorstandsvors Kölner Forum für Kultur im Dialog/ Shalom Musik),
lieber Herr Prof. Wilhelm,

liebe Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, von Politik +Verwltg,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Gäste von L’Chaim – Auf das Leben!

Zur heutigen Veranstaltung darf ich Sie alle zunächst einmal ganz herzlich im Namen der Stadt Köln und unserer Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßen. Die jüdische Kultur ist lebendig und lebensbejahend. Diese Grundhaltung schwingt auch mit in dem klassischen jüdischen Trinkspruch: L’Chaim – Auf das Leben!

Mit diesem Spruch einen Rückblick auf das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ einzuleiten und gleichzeitig einen Ausblick auf das nun anstehende Gedenkjahr 2024 zu geben und dabei auch Antworten zu formulieren auf die Frage, wie sich heute jüdisches Leben in Deutschland gestaltet, ist zweifelsohne eine wundervolle Idee und ich darf mich für diese Initiative beim Kölner Forum für Kultur im Dialog und der Synagogen-Gemeinde Köln ganz herzlich bedanken.

Auch heute noch existiert in unserer Gesellschaft Antisemitismus, ein Problem, dass in der aktuell weltweit aufgeheizten Stimmungslage sogar dazu führt, dass jüdische Menschen auch hier bei uns verunsichert und bedroht werden durch öffentlich zur Schau gestellten Hass, durch Ablehnung und Gewalt. Eine Situation, die vor dem Hintergrund dessen, was vor 80 Jahren geschah, kaum zu ertragen ist und unser gesellschaftliches Eingreifen erfordert.

Gerade weil es den barbarischen Überfall der Hamas am 7. Oktober gegeben hat und gerade weil es im Zuge dieses Terroraktes auch in unserem Land zu einem drastischen Anstieg von antisemitischen Übergriffen gekommen ist, wird unsere gemeinsame Aufgabe, auf jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland aufmerksam zu machen, noch wichtiger als zu je vor. 

Offensiv gegen Antisemitismus vorzugehen, anstatt sich weg zu ducken, ist zweifelsohne der richtige Weg.
In diesem Sinne war das Festjahr 321 eine großartige Gelegenheit, überall in Deutschland auf eine mindestens 1700 Jahre währende gemeinsame Geschichte aufmerksam machen zu können.

Das Festjahr gab dabei nicht nur Anlass zum Gedenken an viele schlimme Kapitel in unserer Geschichte; überall im Land war 321 auch ein Jahr der Freude, mit zahllosen Hinweisen auf eine lebendige jüdische Kultur in unserem Land, ein Jahr bei dem mit Stolz auch auf die vielen guten Abschnitte des lange währenden Miteinanders in unserem Land hingewiesen werden konnte. Die Resonanz auf das Festjahr „321-2021“, das ja Corona-bedingt bis zum Sommer des letzten Jahres verlängert worden ist, war in jedem Fall überwältigend: Am Ende gab es mehr als 2400 Veranstaltungen, in denen man bundesweit auf das Bezug nahm, was vor 1700 Jahren seinen historischen Ursprung hier in unserer Stadt hatte.

Schaut man einmal zurück, dann liegt das Jahr 321 schon mitten in der Spätantike, einer Zeit der großen Umbrüche vor allem im Westen des römischen Reiches, kurz vor dem Ende der Römerzeit und dem nahenden Frühmittelalter. Dennoch sind gerade in dieser Zeit durch die Kaiser Diokletian und in der Folge Konstantin zahlreiche neue Ordnungs- und Verwaltungsprinzipien eingeführt worden, die auch noch Jahrhunderte nach dem Untergang des römischen Reiches Geltung hatten. In der Folge begann man erstmals auch damit, die zahllosen, vielerorts verteilten Rechtsquellen in Gesetzessammlungen zusammenzustellen, mittels derer die geltenden römischen Gesetze, die in diesem gewaltigen Imperium an verschiedenen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten von immer neuen Kaisern erlassen worden waren, allgemeingültig bereitgestellt werden konnten.

Zuvor war es in Ermangelung dieser rechtverbindlichen Sammlungen zu jener Zeit oft erforderlich, sich mit einem Rechtsproblem unmittelbar an den Kaiser selbst zu wenden und man konnte nach einer gewissen Wartezeit auf eine gesetzgeberische Lösung aus Rom hoffen.
Im frühen 4. Jahrhundert waren es dann offenbar die Mitglieder des Stadtrates der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, der Hauptstadt der damaligen niedergermanischen Provinz, die sich in einer administrativen Angelegenheit an den Kaiser wandten. Kaiser Konstantin nahm sich dieses Anliegens an und erließ daraufhin ein im gesamten Imperium Romanum gültiges Gesetz: Das auf den 11. Dezember 321 datierte Dekret Konstantins erlaubte den Provinzstädten nunmehr die Berufung von Juden in den Stadtrat. Das Dekret wirft gleichzeitig ein Schlaglicht auf die jüdische Geschichte Kölns in der Spätantike und ist ein einzigartiges Zeugnis für die Forschung; es liefert Gewissheiten und Ungewissheiten und es reizt zu Spekulationen und Deutungen.
Das Dekret Konstantins von 321 ist als Abschrift in einer bedeutenden Gesetzessammlung überliefert, dem Codex des oströmischen Kaisers Theodosius, der 100 Jahre später alle römischen Gesetze und kaiserlichen Konstitutionen, die seit dem Jahr 312 erlassen worden waren, sammelte und für das gesamte römische Reich rechtsverbindlich bereitstellte.
Wie wir ja seit der Sonderausstellung im Kolumba-Museum im Jahr 2021 wissen, befindet sich die älteste bekannte Abschrift des für uns so bedeutsamen Gesetzes im Vatikan in der Apostolischen Bibliothek und stammt aus dem 6. Jahrhundert.

Das Dekret Konstantins ist damit die früheste bekannte Urkunde, die es zu jüdischem Leben nördlich der Alpen heute noch gibt.

Schon seit der Antike sind Jüdinnen und Juden also Teil unserer Gesellschaft und der Geschichte unserer Stadt. Bei näherer Betrachtung ist das auch gar nicht weiter verwunderlich, denn Köln hatte sich seit seiner Gründung zu einer der wichtigsten Handelsmetropolen in Westeuropa entwickelt. Von hier aus wurde nachweislich der heute bekannten archäologischen Befunde schon in der Antike ein intensiver Handel mit Südeuropa, mit Nordafrika oder auch mit Vorderasien betrieben und man kann sich die Bevölkerung einer Stadt vorstellen, bei der auch damals schon Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenkamen und es wird offensichtlich, dass Köln im Laufe seiner 2000-jährigen Geschichte schon von Beginn an eben auch von Menschen jüdischen Glaubens mitgeprägt worden ist. 

Wenngleich es leider immer wieder zu Bauverzögerungen kommt, wird mit dem hoffentlich in 2027 endlich fertiggestellten Jüdischen Museum vor dem Historischen Rathaus, mit diesem gemeinsamen Projekt von Stadt und LVR, unsere mehr als 1700 Jahre währende gemeinsame Geschichte sichtbar und bleibt so auch im Bewusstsein unserer Stadt.

Unsere gemeinsame Geschichte hat gottseidank nicht mit Ausgrenzung und Vertreibung, mit Pogromen und Mord geendet. Unsere gemeinsame Geschichte wird auch heute noch fortgeschrieben, sie hat eine Gegenwart, die uns nicht trennt, sondern verbindet, eine Gegenwart von der aus wir gemeinsam die vor uns liegende Zukunft gestalten werden.
Insofern freue ich mich sehr über das neu gegründete Forum 321. Die Kölnische Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit, die MiQua-Freunde und das Kölner Forum für Kultur im Dialog werden zukünftig in jedem Jahr mit einem besonderen kulturellen Format an dieses wichtige historische Kölner Datum, an jenen 11. Dezember des Jahres 321, erinnern und damit jüdisches Leben in unserer Stadt noch sichtbarer und erfahrbarer machen. Allen, die an dieser großartigen Initiative beteiligt sind, darf ich dafür ganz herzlich Danke sagen.

Meine Damen und Herren, lassen sie mich abschließend noch einmal auf die aktuellen Entwicklungen zurückkommen. Antisemitismus, Hetze gegen Menschen jüdischen Glaubens und Anschläge auf jüdische Einrichtungen sind unerträgliche Angriffe auf den Kern unserer Gesellschaft und in keiner Weise zu tolerieren. Gerade wir, gerade die Menschen in unserem Land haben eine historische Verantwortung, Antisemitismus überall dort, wo er sich zeigt, mit Macht zu bekämpfen.

Als Bürgermeister dieser Stadt darf ich Ihnen versichern, dass es in Köln keinen tolerierten Raum für Antisemitismus gibt oder geben wird. Köln steht weiterhin für eine weltoffene, solidarische Stadtgesellschaft, in der Glaube oder Herkunft die Menschen nicht voneinander trennt, sondern sie miteinander verbindet.

In diesem Sinne freue ich mich nun auf den weiteren Verlauf der heutigen Veranstaltung, bin gespannt auf den nachfolgenden Film und wünsche Ihnen allen noch einen guten Abend bei L’Chaim – Auf das Leben!